Dass das Lindenau-Museum Altenburg zu den bedeutendsten Kunstmuseen im mitteldeutschen Raum gehört, zeigt sich nicht zuletzt in den zahlreichen Kooperationen und Partnerschaften, die das Museum eingeht und die für jedes zeitgemäße Ausstellungshaus unabdingbar sind. Eine der relevantesten Kooperationen der letzten Jahre konnte das Lindenau-Museum im Sommer 2021 mit der Sammlung Felix und Herline Peltzer-Stiftung eingehen. Teil der Übereinkunft ist die Ausleihe von insgesamt knapp 300 Gemälden und Zeichnungen nach Altenburg. Über die nächsten Jahre werden sie die Sammlung des Lindenau-Museums in besonderer Weise ergänzen.
In der Ausstellung „Kirchner, Pechstein, Werefkin. Meisterwerke aus der Sammlung Peltzer“ wird nun eine Auswahl der Arbeiten aus der Zeit der klassischen Moderne präsentiert. Neben Exponaten der titelgebenden Künstler finden sich in der Schau auch Werke von klangvollen Namen wie Karl Schmidt-Rottluff, Karl Hofer oder Erich Heckel. Insgesamt 36 ausgestellte Werke streifen Orte der Moderne: Cafés und Varietétheater, die Großstädte, aber auch entlegene Plätze in der Natur. Ihre Motive und die dargestellten Figuren illustrieren den Zeitgeist jener Jahre sowie neue Formen des Miteinanders. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der französischen Moderne, sind doch mit Othon Friesz, Henri Manguin und Jules Pascin auch in dieser Richtung prominente Künstler vertreten.
Die besondere Qualität der Werke aus dem frühen 20. Jahrhundert zeigt sich nicht zuletzt in der anhaltenden Popularität von Exponaten, die beispielsweise dem Expressionismus zugeschrieben werden. Mit ihren fulminanten Formen und Farben kehren die Künstlerinnen und Künstler dieser Zeit in einer bisher nicht gekannten Art ihre eigene Gefühlswelt nach außen, sodass viele der Exponate von einer besonderen Intimität beseelt sind. Sie zeichnen die Ausstellungsstücke von „Kirchner, Pechstein, Werefkin“ als wahre Meisterwerke aus.
Die Sammlung Felix und Herlinde Peltzer geht auf den Kunstsammler Felix Peltzer (1896–1983) zurück. Er entstammte einer bekannten Unternehmerfamilie aus Stolberg im Rheinland, die im metallverarbeitenden Gewerbe zu Wohlstand und politischem Ansehen kam. Mit ihren Messingprodukten nahm die Familie im 17. und 18. Jahrhundert fast eine Monopolstellung in Europa ein. Neben dem Erwerb repräsentativer Wohnhäuser gehörte auch die Zusammenstellung einer eigenen Kunstsammlung zum aristokratischen Lebensstil der Familie.
Das machte Felix Peltzer auch zu einem der renommiertesten Kunstsammler im Rheinland, der bereits früh moderne Kunst ankaufte. Vor allem die Werke der Expressionisten oder die Künstler des „Jungen Rheinland“ standen dabei im Fokus. Peltzer, der bereits in frühen Jahren ein Kunstinteresse entwickelt hatte, tätigte schon als junger Mann erste Ankäufe. Die expressionistischen Werke, die heute das Fundament der Sammlung darstellen, wurden in den 1950er-Jahren gekauft. Auch auf den französischen Kunstmarkt wandte er unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Blick. So entstand eine private Kunstsammlung, die repräsentativen Charakter für die Kunst der Klassischen Moderne besitzt.
Felix von Schmeling, Großneffe von Felix Peltzer, erbte die Sammlung von dessen 2016 verstorbener Witwe Herlinde Peltzer. Ihrem Willen entsprechend brachte er sie in die neu gegründete Sammlung Felix und Herlinde Peltzer-Stiftung ein.
Nach der Gründung der Sammlung Felix und Herlinde Peltzer-Stiftung suchte Felix von Schmeling nach einem geeigneten Haus, das die bedeutende Sammlung als Dauerleihgabe aufnehmen und konservatorisch betreuen konnte. Auf Vermittlung von Martin Eberle, heutiger Direktor der Museumslandschaft Hessen-Kassel, wandte er sich 2017 an den Direktor des Lindenau-Museums Roland Krischke. Schon kurze Zeit später fand – zwischen den Gipsabgüssen im „alten“ Lindenau-Museum – ein erstes Gespräch statt.
Das Treffen war der Ausgangspunkt für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die über die kommenden Jahre intensiviert werden sollte und schließlich in der Vertragsunterzeichnung im Sommer 2021 mündete. Als Dauerleihgabe an das Lindenau-Museum übergegangen, trägt die Restaurierungsabteilung des Museums in einer Art Patenschaft auch Sorge für den Zustand der Sammlung.
Durch den Zusammenschluss von Lindenau-Museum und Residenzschloss Altenburg in Form der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Altenburger Museen ergab sich die Möglichkeit, geeignete Ausstellungsräume im Prinzenpalais herzurichten. So wurden Bedingungen geschaffen, die Sonderausstellung „Kirchner, Pechstein, Werefkin“ trotz der Schließung des eigentlichen Museumsgebäudes am Fuße des Schlossbergs zu realisieren.
Ausgestellte Werke (Auswahl)
Das Gemälde „Schlangenmensch“ gehört zu einer kleinen Gruppe von Zirkusbildern Kirchners und zeigt eine junge Frau mit roten Haaren inmitten eines Zirkusgeländes mit Planwagen und bunten Wimpeln. Das Motiv des Schlangenmenschen ist auch in weiteren Fassungen im Schaffen Kirchners vertreten. Als Kirchner den „Schlangenmensch“ malte, verwendete er hierfür die Rückseite einer älteren Leinwand, des Stilllebens mit Gemüsetopf, das die jüngere Forschung um 1910 datiert.
Die Provenienz des Gemäldes lässt sich gut nachvollziehen: Es stammt ursprünglich aus der Sammlung des Chemikers Carl Hagemann (1867–1940), der einer der bedeutendsten Expressionismus-Sammler in der Region um Frankfurt am Main und zugleich ein Förderer Kirchners war. Zum Einzug in sein neues Haus erhielt Hagemann vom Künstler 1923 den „Schlangenmensch“. Kirchner selbst sagte zu dem Werk: „Am liebsten würde ich Ihnen den Schlangenmenschen […] geben, da Sie so etwas noch nicht haben und es ein sehr fein abgewogenes Bild ist.“
Das Werk fand 1952 Eingang in die Sammlung Peltzer.
Aktdarstellungen ziehen sich durch Karl Hofers gesamtes Œuvre. Das Zweifigurenbild aus der Sammlung Peltzer erschafft einen vermeintlich voyeuristischen Moment, bei dem eine intime Liebesszene zweier Frauen beobachtet werden kann. Das Gemälde spiegelt jedoch weniger innige Zweisamkeit wider, sondern verweist vielmehr auf akademische Aktmalereien in ihrer kunsthistorischen Allgemeingültigkeit.
Andererseits verortet die modische Kurzhaarfrisur der Mädchen – ein für die 1920er-Jahre typischer Bubikopf-Haarschnitt – das Gemälde in seine Entstehungszeit. Hofer schrieb dazu in den 1950er-Jahren an Felix Peltzer: „Leider bin ich ausserstande, Ihnen das Entstehungsjahr meines Bildes Ihrer Sammlung zu nennen. Alle meine Aktzeichnungen sind verbrannt. Es musste aber in den zwanziger Jahren entstanden sein, etwa 1924–26.“
Das Werk fand 1950 Eingang in die Sammlung Peltzer.
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