Die Stiftung Gerhard Altenbourg, das Lindenau-Museum und die Gerhard Altenbourg Gesellschaft in Altenburg trauern um die Literaturwissenschaftlerin Dr. Christa Grimm, die am 22. Juni 2025 nach längerer Krankheit verstorben ist. Christa Grimm war dem Künstler und Lyriker Gerhard Altenbourg (1926–1989) über viele Jahre freundschaftlich verbunden und hat durch Vorträge, wissenschaftliche Beiträge und persönliche Erinnerungen nicht wenig dazu beigetragen, das Verständnis für den Facettenreichtum dieser außergewöhnlichen Künstlerpersönlichkeit zu vergrößern.
Christa Grimm wurde 1939 in Zeulenroda geboren. Sie hat in Berlin und Leipzig Germanistik studiert und zu Peter Weiss promoviert. Seit 1969 lehrte und forschte sie an der Universität Leipzig, wobei ihr Spezialgebiet die Literatur der Schweiz war, ein Land, in das sie auch viele persönliche Verbindungen unterhielt. Für die Städtepartnerschaft zwischen Altenburg und Olten hat sie im Zusammenwirken mit dem Oltener Germanisten Peter André Bloch literarische und künstlerische Akzente gesetzt. Ihren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt hatte sie in Altenburg und Leipzig, ihre vielen Lehraufträge führten sie aber auch u. a. nach Dublin, Belfast, Edinburgh, Bergen, Kopenhagen, Krakau, Lyon, Mulhouse, Cagliari, Prag, Coimbra, Porto und Sevilla. Der Eintritt in den Ruhestand bildete dabei keine Grenze, noch bis in ihre letzten Lebensjahre hinein hielt sie Vorträge u. a. am Seniorenkolleg der Universität Leipzig und bot zum Beispiel an der Burg Giebichenstein in Halle Schreibwerkstätten für junge Menschen an. Nicht nur zu ihren ehemaligen Schülerinnen und Schülern hielt sie engen Kontakt, auch geflüchtete Kollegen unterstützte sie maßgeblich in ihrem Werdegang.
Publiziert hat sie nicht nur über Peter Weiss und Schweizer Autoren des 20. Jahrhunderts, ihre Interessen gingen weit darüber hinaus und sie war in der europäischen Literatur- und Kunstgeschichte so versiert, dass jedes Gespräch mit ihr zu einer Entdeckungsreise wurde. Wie eng Familien- und Kulturgeschichte verbunden sein konnte, wurde mit der Wiederentdeckung des Antikriegsromans „Schlump“ deutlich, den ihr Schwiegervater Hans Herbert Grimm 1928 publiziert hatte. 1933 wurde das Buch ein Opfer der Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten, 2016 hatte Christa Grimm maßgeblichen Anteil an der Neuausgabe des Buches im Verlag Kiepenheuer & Witsch.
Die Bekanntschaft mit Gerhard Altenbourg hatte sie im Jahr 1957 als 17-Jährige gemacht, als sie ihre Klavierlehrerin Elisabeth Grimm im Braugartenweg aufsuchte und dort deren Sohn Frank und seinen Freund und Nachbarn Gerhard Ströch traf. Frank Grimm heiratete sie zehn Jahre später, mit Altenbourg verband sie eine Lebensfreundschaft, die zugleich eine jahrzehntelange Auseinandersetzung mit dem wachsenden Werk des Künstlernachbarn bedeutete. Die Eltern von Frank Grimm und Gerhard Ströch (Altenbourg) hatten sich in den 1930er-Jahren jeweils ein Haus im Braugartenweg gebaut und so indirekt eine Freundschaft und Zusammenarbeit unter ihren Kindern gestiftet, die ihren symbolischen Ausdruck später in einer von Altenbourg gestalteten Gartenpforte zwischen beiden Grundstücken fand. Zu einem wichtigen Mentor wurde Lothar Lang, dessen Briefwechsel mit Gerhard Altenbourg sie 2008 im Lehmstedt Verlag Leipzig herausgab.
Christa Grimm nahm intensiv Anteil an der Arbeit der Stiftung Gerhard Altenbourg und der 2018 gegründeten Gerhard Altenbourg Gesellschaft. Mehrmals stellte sie sich für Spaziergänge auf den Spuren Gerhard Altenbourgs von der Spinnbahn über die Hellwiese zu den Paditzer Schanzen zur Verfügung, arbeitete an Ausstellungen über Altenbourgs Werk mit oder war intensiv an dem von der Gerhard Altenbourg Gesellschaft 2022 herausgegebenen Band über „Altenbourgs Garten“ beteiligt. Den Meuselwitzer Lyriker Wolfgang Hilbig hatte sie einst auf dieses Gartenkunstwerk aufmerksam gemacht. Noch im Juni dieses Jahres sprach sie vor Mitgliedern der Gerhard Altenbourg Gesellschaft über die Entstehungsgeschichte der „Wund-Denkmale“, des Opus magnum des Künstlers. Ihr Text zur vorgesehenen Publikation über das Werk liegt fast vollendet vor.
Christa Grimm war Impulsgeberin und Türöffnerin, hielt sich aber gerne im Hintergrund. Die Bühne überließ sie den Künstlern, Schriftstellern und ihren Werken, für die sich lebenslang einsetzte.
Vor wenigen Wochen erst traf sie mit dem Dresdner Schriftsteller Uwe Kolbe zusammen, der gerade im Auftrag des Lindenau-Museums ein Bändchen über „Gerhard Altenbourg in Altenburg“ für die Edition AB Fischer schreibt. Auch hier gab sie Anregungen und Hinweise. Die Buchvorstellung im Herbst wird nun ohne Christa Grimm stattfinden müssen.
Jutta Penndorf
Vorstandsvorsitzende der Gerhard Altenbourg Gesellschaft
Dr. Roland Krischke
Direktor der Altenburger Museen
Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gerhard Altenbourg
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