Mit dem Berliner Fotografen, Objekt- und Performancekünstler Dieter Appelt zeichnet das Lindenau-Museum Altenburg zum mittlerweile 14. Mal einen Künstler mit dem Gerhard-Altenbourg-Preis aus – dem bedeutendsten Kunstpreis Mitteldeutschlands. Anlässlich dieser Auszeichnung präsentiert das Museum vom 26. August bis zum 2. November 2025 zahlreiche Arbeiten aus dem vielschichtigen Œuvre Appelts in einer groß angelegten Sonderausstellung im Prinzenpalais des Residenzschlosses.
Bei der Sitzung des Kuratoriums des Gerhard-Altenbourg-Preises am 16. November 2024 wurde der Künstler Dieter Appelt zum Preisträger des Jahres 2025 gewählt. Als 14. Künstler insgesamt erhält er damit den bedeutendsten Kunstpreis im mitteldeutschen Raum sowie ein Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro. Das Gremium hat mit Dieter Appelt einen Künstler ausgezeichnet, der mit seinen fotografischen Arbeiten über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt geworden ist, sich im Verlauf seiner Karriere jedoch auch immer wieder neuen Kunstformen zugewendet hat, zuletzt vor allem zeichnerischen Arbeiten.
In der Begründung der Jury heißt es:
„Mit Dieter Appelt zeichnen wir eine zeitlose Stimme im europäischen Kunstschaffen aus, die bislang eher in Frankreich oder in den USA gehört wurde. Seinem in einem besonderen Raum zwischen Bild, Musik, Literatur und Zeit angelegten Arbeitsfeld möchten wir mit der Ausstellung in Altenburg eine Bühne geben, die wir schon jetzt voller Neugier betrachten.“
Besonders hervorgehoben wurde auch die Verwandtschaft seines zeichnerischen Werkes, den sogenannten „Partituren“, mit den Arbeiten des Namensgebers des Preises. Vor allem die Detailverliebtheit dieser Arbeiten erinnert an das Schaffen Gerhard Altenbourgs. Zugleich wird der Altenbourg-Preis damit um eine neue Facette erweitert: Erstmals steht das fotografische Werk eines Künstlers im Mittelpunkt. Es besticht durch die Hinwendung zum eigenen Körper sowie zur Natur und thematisiert Erinnerung, Leben und Tod sowie Wiederkehr.
Der Gerhard-Altenbourg-Preis ist eine Auszeichnung für das Lebenswerk eines Künstlers oder einer Künstlerin und macht zugleich auf die künstlerische Unabhängigkeit der ausgezeichneten Persönlichkeit aufmerksam. Bisherige Preisträger waren unter anderem Michael Morgner (2012), Olaf Holzapfel (2014) und zuletzt Asta Gröting (2023). Mit Dieter Appelt fügt sich nun ein weiterer prominenter Name in diese Liste ein.
Mit der Sonderausstellung im Prinzenpalais des Residenzschlosses Altenburg widmet sich das Lindenau-Museum in mehreren thematischen Schwerpunkten dem jahrzehntelangen Schaffen Dieter Appelts. Die Schau gibt einen umfassenden Einblick in sein Werk als Aktionskünstler und Fotografen ebenso aber auch in sein weniger bekanntes zeichnerisches und skulpturales Schaffen.
Zu Appelts bedeutendsten Fotoserien gehört der „Augenturm“, der im Sommer 1977 auf der Insel Monte Isola in Norditalien entstand. Auf dieses Hauptwerk richtet die Ausstellung einen besonderen Fokus. Zu sehen ist ein von Appelt konstruiertes Holzgerüst, das aus dem Wasser des Lago d’Iseo herausragt. Auf den verschiedenen Motiven positioniert sich der Künstler um das Gerüst: darauf sitzend, darunter im Wasser stehend oder mit ihm verknotet.
Während der knapp zehn Meter hohe Turm als Kanzel, Klettergerüst oder Hungerturm gelesen werden kann, erinnert Appelts Körper an einen meditierenden Eremiten. In der Fotoserie schwingt eine Wiederannäherung zwischen Mensch und Natur mit. Den Titel „Augenturm“ entlieh Appelt einem Gedicht von Hilde Domin (1909-2006), das auch in der Ausstellung zu hören ist.
Wenngleich Appelt mit seinen konsequent in Schwarz-Weiß gehaltenen Fotografien bekannt wurde, ist es doch die Zeichnung, die ihn bis heute beschäftigt. Seine Werkreihe der „Partituren“ führt er bis in die Gegenwart fort. Diese erinnern in ihrer Bildsprache, Detailversessenheit und der Fragilität des Dargestellten stark an das Werk Gerhard Altenbourgs. Die Ausstellung zeigt mehrere dieser Arbeiten. Ihr Titel ist bewusst gewählt: Dieter Appelt, der selbst Musik studiert hat und als Sänger an der Deutschen Oper Berlin tätig war, folgt mit diesen Zeichnungen seiner Liebe zur Musik.
Die Anordnung von Linien und Punkten kann mithilfe eines Fibonacci-Rasters als Partitur gelesen und gespielt werden.
Ebenfalls eng mit dem Thema Klang verbunden ist die fotografische Arbeit „Waldrandabhörung“. An ihr arbeitete Appelt in zwei Phasen. Bereits 1987 nahm er hunderte Fotos von Baumwipfeln auf, die er anschließend zu einer Sequenz zusammenfügte. Die Anordnung folgt einer Komposition, bei der das Auf- und Absteigen der Wipfel als Tonspur gelesen werden kann.
Mithilfe spezieller Software entlockte er seinen Fotografien ein rhythmisches Klopfen. Diesen Prozess hielt er filmisch fest. In einer zweiten Phase (2014) fügte er dem Werk Filmstills hinzu. Das Werk ist in seiner Gesamtheit in der Ausstellung zu sehen. Gegenübergestellt wird diesem die wandfüllende Serie „Kreuzweg“, in der Appelt aufgeschichtete Hölzer durch die Bewegung der Kamera wie einen Strudel erscheinen lässt. Der Titel ruft zugleich Assoziationen zur Dornenkrone Christi hervor.
Ergänzt wird die Ausstellung durch vier dreidimensionale Objekte, die in enger Verbindung zu Appelts zeichnerischem Werk stehen.
Begleitend zur Ausstellung hat die Kunst- und Kulturvermittlung der Altenburger Museen eine Reihe von Angeboten zum Mitmachen und Nachdenken direkt in der Ausstellung verankert. Unter dem Motto „Turmbau zu Altenburg“ können Besucherinnen und Besucher – ganz im Zeichen des „Augenturms“ – mit Bandagen an einer eigenen Holzkonstruktion arbeiten oder an bereits hinterlassenen Gebilden weiterbauen. Die Mitmachaktion „Zeigt her eure Hände“ bezieht sich auf Dieter Appelts Werk „Die Befreiung der Finger“. Mit Bleistift und Papier werden dabei die eigenen Hände abgezeichnet und anschließend mit Tape an einem der Wandfelder befestigt. Wie beim Künstler selbst entsteht auch hier ein Bilderblock. Ebenfalls auf den Spuren Appelts bewegen sich die Besucherinnen und Besucher an einer eingerichteten Spiegel-Station. Mit ihrem eigenen Atem stellen sie dort Dieter Appelts ikonische Arbeit „Der Fleck auf dem Spiegel, den der Atemhauch schafft“ nach.
Im Einklang mit den existenziellen Fragen, die Dieter Appelt in seinem Werk immer wieder aufwirft, begegnen den Besucherinnen und Besuchern an verschiedenen Stellen der Ausstellung zudem Impulse, die zum Nachdenken über das eigene Leben, die Verbundenheit mit der Welt oder auch über das Nacktsein anregen.
Dieter Appelt wurde 1935 in Niemegk (Brandenburg) geboren. Von 1954 bis 1958 studierte er Gesang in Berlin und Leipzig und schloss dieses Studium 1961 mit einem Diplom ab. Anschließend absolvierte er ein Studium der Fotografie und experimentellen Fotografie an der Hochschule der Künste Berlin bei Heinz Hajek-Halke. Nach Jahren als Sänger an der Deutschen Oper wendete er sich ab Ende der 1970er-Jahre vollends der Bildenden Kunst zu. Von 1982 bis 2000 wirkte er als Professor für Fotografie, Film und Video an der Hochschule der Künste Berlin. Von 1999 bis 2000 war er zudem Dekan der Fakultät Bildende Kunst und Vizepräsident.
Neben seiner zweimaligen Teilnahme an der Biennale in Venedig (1990 und 1999) und zahlreichen nationalen Einzelausstellungen bzw. Ausstellungsbeteiligungen führte ihn sein Schaffen auch an international bedeutende Institutionen.
Bereits 1986 wurde ihm eine Einzelausstellung im Stedelijk Museum in Amsterdam gewidmet, ein Jahr später folgte eine Einzelausstellung im Centre National de la Photographie in Paris. Eine erfolgreiche Retrospektive im Art Institute of Chicago 1994 fand eine Fortsetzung in New York, Québec und New Orleans. Darüber hinaus konzipierte er 2005 die Ausstellung „Zeitstrecke“ zur Wiedereröffnung der Villa Oppenheim in Berlin. 2008 folgte die Konzeption der Ausstellung „Notation. Kalkül und Form in den Künsten“ an der Akademie der Künste Berlin. Unter Dieter Appelts Federführung wurde zudem das „Mahnmal für die 96 ermordeten Reichstagsabgeordneten“ vor dem Reichstag in Berlin realisiert.
1997 wurde Dieter Appelt zum Mitglied der Akademie der Künste Berlin ernannt. 1999 erhielt er für seine fotografische Arbeit die David-Octavius-Hill-Medaille der Deutschen Fotografischen Akademie. 2005 wurde ihm der Knight Purchase Prize for Photographic Media des Akron Art Museums in Ohio, USA, verliehen.
Im März 2025 feierte Dieter Appelt seinen 90. Geburtstag.
Aus gesundheitlichen Gründen kann Dieter Appelt der Ausstellungseröffnung am Sonntag leider nicht beiwohnen. Das Lindenau-Museum wird dem Künstler den Preis daher zu einem späteren Zeitpunkt in Berlin persönlich überreichen.
Sonntag, 24. August 2025, 15 Uhr
Ausstellungseröffnung
im Bachsaal des Residenzschlosses Altenburg
Donnerstag, 28. August 2025, 17 Uhr / Sonntag, 7. September 2025, 14 Uhr / Donnerstag, 9. Oktober 2025, 11 Uhr / Sonntag, 2. November 2025, 14 Uhr
Öffentliche Führungen durch die Ausstellung
Treffpunkt: Kasse im Prinzenpalais
Mittwoch, 3. September 2025, 18–20 Uhr
Werkstatt am Abend
Zeichnung + Wein: again and again — Die Zeichnung ist ein Fluss
Nach einem Besuch in der Ausstellung erforschen wir gemeinsam wie der Körper, die Umgebung und der innere Zustand den Charakter von Zeichnungen beeinflussen.
für Erwachsene
8 € (ein Glas Wein inkl.) mit Anmeldung
Treffpunkt: Kasse im Prinzenpalais
Donnerstag, 9. Oktober 2025, 19 Uhr
Filmabend
Kurzfilme zu Aktionen und Performances u. a. von Marina Abramović, Dieter Appelt und Joseph Beuys
im Paul-Gustavus-Haus, Wallstrase 29, 04600 Altenburg
Sonntag, 12. Oktober 2025, 14–17 Uhr
Offene Werkstatt: Halloween in Schwarz-Weiß
Inspiriert von Dieter Appelt fotografieren wir unseren eigenen Körper mit Gipsbinden und Farbe. Die Fotos könnt ihr mit nach Hause nehmen.
5/3 € Erwachsene/Kinder
Treffpunkt: Geschichtswerkstatt des Residenzschlosses Altenburg, Schloss 14, 04600 Altenburg
Do, 30. Oktober 2025, 18 Uhr
Im Gespräch: Aktionskunst — ein deutsch-deutscher Vergleich
mit dem Künstler Michael Morgner und Gästen
im Bachsaal des Residenzschlosses Altenburg
Termin in Planung
Führung: Lass mal quatschen, Digga!
Jugendliche laden zum Austausch ein und teilen ihren Blick auf die Kunstwerke
Treffpunkt: Kasse im Prinzenpalais
ab Klassenstufe 3
Turmbau zu Altenburg
Aus Holzstaben, Textilbändern und Tapes baut ihr kleine Gebilde zum Mitnehmen.
(120 Minuten, inkl. Ausstellungsrundgang)
ab Klassenstufe 5
Ganz nah dran
Ihr inszeniert den menschlichen Körper und fotografiert eure Beine, Arme oder Hände, die ihr vorher verknotet oder bemalt.
ab Klassenstufe 8
I scan you — you scan me
Ihr scannt euch gegenseitig in 3D mit dem Tablet und könnt euch als 3D-Modell-Filmdatei mit nach Hause nehmen.
Anmeldungen: 03447 8955-451/-453 oder für Schulen: schule@altenburger-museen.de und für andere Angebote: studio@altenburger-museen.de
Zur Ausstellung „Dieter Appelt – Gerhard Altenbourg-Preis 2025“ erscheint ein Katalog im Kerber Verlag, der von Dr. Roland Krischke, Direktor der Altenburger Museen, für das Lindenau-Museum Altenburg herausgegeben wurde.
Mit Texten von
Michel Frizot, Roland Krischke, Angela Lammert und Benjamin Rux
Weitere Informationen zum Katalog:
22,0 × 29,0 cm, 152 Seiten, 90 s/w Abbildungen
ISBN 978-3-7356-1054-6
auf Deutsch und Englisch
Verlagspreis: 38 EUR
Preis in den Shops der Altenburger Museen: 32 EUR
2025 Dieter Appelt (geb. 1935)
2023 Asta Gröting (geb. 1961)
2021 Ruth Wolf-Rehfeldt (1932-2024)
2019 herman de vries (geb. 1931)
2017 Pia Fries (geb. 1955)
2014 Olaf Holzapfel (geb. 1969)
2012 Michael Morgner (geb. 1942)
2010 Micha Ullman (geb. 1939)
2008 Cy Twombly (1928–2011)
2006 Lothar Böhme (geb. 1938)
2004 Markus Raetz (1941-2020)
2002 Roman Opalka (1931–2011)
2000 Walter Libuda (1950-2021)
1998 Carlfriedrich Claus (1930–1998)
(zur Wahl des Preisträgers im November 2024)
Gernot Frankhäuser – Kunsthistoriker, Landesmuseum Mainz
Matthias Haupt – Geschäftsführer der Sparkassen Kulturstiftung Hessen-Thüringen, Frankfurt am Main
Dr. Anke Hervol – Sekretär der Sektion Bildende Kunst, Akademie der Künste, Berlin
Dr. Roland Krischke – Direktor der Altenburger Museen (Kuratoriumsvorsitz)
Dr. Franziska Kunze – Sammlungsleiterin Fotografie und zeitbasierte Medien, Pinakothek der Moderne, München
Prof. Mark Lammert – Künstler, Universität der Künste, Berlin
Uwe Melzer – Landrat des Landkreises Altenburger Land
Dr. Annika Michalski – Thüringer Staatskanzlei, Erfurt
André Neumann – Oberbürgermeister der Stadt Altenburg
Dr. Michael Philipp – Chefkurator, Museum Barberini, Potsdam
Katja Rettig – Vorsitzende des Förderkreises „Freunde des Lindenau-Museums“ e. V.
Wilfried Rugo – Sammler, Düsseldorf
Prof. Dr. Kai Uwe Schierz – Direktor der Kunstmuseen der Stadt Erfurt
Bernd Wannenwetsch – Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Altenburger Land
26. August bis 2. November 2025
Dieter Appelt – Gerhard-Altenbourg-Preis 2025
Sonderausstellung des Lindenau-Museums Altenburg im Prinzenpalais des Residenzschlosses Altenburg
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, an Feiertagen
11 bis 17 Uhr
Eintritt: 4 € / 3 € (ermäßigt)
Der Zugang zu den Ausstellungsräumen im Prinzenpalais ist nicht barrierefrei.
Kommentare